70 Jahre Blutspendedienst West - Vom mutigen Experiment damals zur Routine heute
Erste Blutspende in Werl fand am 23. März 1953 statt / Michael Bäcker seit 1997 Blutspendebeauftragter
Werl – Der Ursprung der Blutspende in Nordrhein-Westfalen liegt in einer schweren Schlagwetterexplosion, die sich am 20. Mai 1950 in einem Schacht der Zeche Dahlbusch im Gelsenkirchener Stadtteil Rotthausen ereignete. Für die Behandlung der Verletzten gab es kaum ausreichend Blutkonserven. Zahlreiche musste aus Frankreich geholt werden. Im Nachhinein sei das ein deutlicher Impuls gewesen, die Gründung eines Blutspendedienstes voranzutreiben, erklärt das Rote Kreuz. „Zu dieser Zeit war es noch üblich, im Bedarfsfall Blutübertragungen direkt am Patienten vorzunehmen.“
Die Grundpfeiler der erfolgreichen vergangenen 70 Jahre sind vor allem eines: Nicht nur die hauptamtlichen Mitarbeiter des DRK, sondern auch die zahlreiche und tatkräftige Unterstützung der ehrenamtlichen Helfer. „Bei ihnen möchte ich mich ganz herzlich bedanken“, sagt auch der Werler Blutspendebeauftragte Michael Bäcker. Er übernahm diese Funktion im Jahr 1997 von seinem Vorgänger Bruno Moessing. Auch in diesen schwierigen Zeiten hätten die Ehrenamtler in der Hellwegstadt seit Pandemiebeginn zur Verfügung gestanden. Denn Corona hat den bis dato üblichen Ablauf umgeworfen: „Die Blutspendetermine im Januar 2020 konnten noch wie gewohnt durchgeführt werden“, so Bäcker. Im Nachhinein wurde klar: Es waren die vorerst letzten Termine, „an denen ein gemütlicher Imbiss nach der Blutspende möglich war“. Wegen des Virus musste komplett umgeplant und eine neue Durchführung erarbeitet werden. „Unser DRK-Haus war wegen den vorgeschriebenen Abstandsregeln zu klein“, mussten daher kurzfristig neue Räumlichkeiten gesucht werden. Fündig wurde man in der Werler Stadthalle. Alle Termine bis Juli 2021 wurden dort durchgeführt, abgesehen von den Spende-Aktionen in den Westönner und Holtumer Schützenhallen. Wegen ihrer Größe konnte dort alles wie gewohnt laufen.
Darüber hinaus wurde das Werler Blutspende-Team kreativ. Da der gemeinsame Imbiss nicht mehr in gewohnter Form stattfinden konnte, stellte man bei der Verpflegung auf Lunchpakete um. Ebenfalls wurde im Sommer 2020 das Terminreservierungssystem eingeführt. „Von nun an mussten sich alle Blutspender zu einer Uhrzeit für die Blutspende anmelden“, erklärt Bäcker. Lange Wartezeiten und eine erhöhte Ansteckungsgefahr in den Schlangen sollen so umgangen werden. „Das Anmeldeverfahren ist schnell angenommen worden“, spricht der Werler Blutspendebeauftragte sein Lob aus. Bis heute sind die Organisatoren Corona-bedingt immer wieder angehalten, neue Vorgaben umzusetzen. „Der Blutspender-Lotse“, nennt Bäcker einen neu geschaffenen Posten. „Dieser muss im Eingangsbereich die Blutspender begrüßen, die Anmeldung überprüfen und auf die Hygieneregeln hinweisen.“ Auch das Fiebermessen vorm Spenden gehört zum Alltag.
Besonders schade für die Gemeinschaft: Die Ehrungen der Blutspender lagen lange auf Eis. Die Jubiläumsspender konnten lediglich eingeladen werden, „sich bei den Blutspendeterminen die Ehrennadeln und Präsente abzuholen, erinnert sich Bäcker. Dabei habe man gemerkt, wie sehr der würdige Rahmen für so eine Ehrung fehle. „Hoffentlich ist das bald wieder möglich“, blickt man zuversichtlich in die Zukunft der Werler Blutspende.
Dennoch konnten in letzter Zeit wieder etliche Spender geehrt werden. Ab der 50. Spende geht es in 25er-Schritten aufwärts. Eine Besonderheit: Dieses Jahr wurde zum ersten Mal ein Werler, nämlich Manfred Wick, für seine 200. Blutspende geehrt.
Spenderzahlen wegen Corona rückläufig
Trotz allem sind die Spenderzahlen pandemiebedingt zurückgegangen. Waren es 2019 in Werl noch 2 465 Spender, gab es ein Jahr später nur noch 2 229. Was sich allerdings zum Positiven entwickelt hat, das ist die Anzahl der Erstspender. Sie stieg zwischen 2019 und 2020 von 142 auf 160.
„2021 sind die Spenderzahlen noch weiter zurückgegangen“, so Bäcker. Da waren es insgesamt 2 187 Menschen, die sich Blut abnehmen ließen, darunter nur 110, die das zum ersten Mal machten.
Mit Ende vieler der Corona-Schutzmaßnahmen am 20. März steigt die Hoffnung, auf eine Fortführung des eigentlichen Positivtrends.
Welche Zahl unabhängig davon aber atemberaubend sei, ist die der Blutspenden in der Wallfahrtsstadt insgesamt. „Seit Beginn der Blutspende im Jahr 1953 haben unsere Blutspender 137 592-mal Blut gespendet“, lässt sich dieses Ausmaß kaum begreifen. Werden bei einer Vollblutspende nach Angaben der Stiftung Gesundheitswesen um die 500 Milliliter Blut abgenommen, muss für die Werler Bilanz der Taschenrechner ausgepackt werden. Man kommt auf über 65 000 Liter Blut, das entspricht fast 400 vollen Badewannen.
Auch der Fortschritt der Technik macht vor der Blutspende keinen Halt. Bis in die Siebzigerjahre musste das in Glasflaschen gesammelte gespendete Blut von den ehrenamtlichen Helfern geschüttelt werden. „Damit es nicht verklumpt“, erklärt der Blutspendedienst West. Heute hingegen kommen Blutbeutelsysteme für die Einmalnutzung und automatische Schüttelwaagen zum Einsatz. Auch wenn sich Abläufe und Prozesse rapide verändert haben, eine Sache ist seit 70 Jahren gleich geblieben: „Blut ist nach wie vor ein wichtiger Baustein in der medizinischen Grundversorgung.“ Ohne das gespendete Blut hätten seit Beginn Millionen von Menschen deutschlandweit nicht therapiert werden können oder gar ihr Leben verloren, so der Blutspendedienst West. Auch in Werl müssen kontinuierlich neue Menschen zur Spende motiviert werden. Nur so könne die ausreichende Versorgung teilweise schwerkranker Patienten mit Blutpräparaten gesichert werden. Die Blutspende sei eben „ein wesentlicher Pfeiler der medizinischen Daseinsvorsorge“.
Und so kommt es, dass in Werl schon mehrere Blutsspende-Jubiläen begangen wurden. Zum 40., welches in den Neunzigern begangen wurde, stellte der damalige Blutspendebeauftragte Moessing nicht nur beeindruckende Zahlen zum bis dahin gespendeten Blut dar. „In den vergangenen 40 Jahren wurden von den Helfern in Werl 130 150 Brötchen, 1 625 Kilogramm Butter, 260 300 Scheiben Wurst und Käse, sowie 1 625 Kilogramm Kaffee zum Essen und Trinken verarbeitet“, hieß es damals.
Die erste Blutspende in Werl fand übrigens am 13. März 1953 statt. Man gehörte mit zu den Ersten, die damals der Blutbank Breitscheid die Hilfe bei der Blutspende anboten. 67 Spendern wurde in einem ehemaligen Gesellenhaus Blut abgenommen. Sechs Jahre später, 1959, gab es dann den ersten regulären Blutspendetermin in Westönnen. Die Feuerwehr ging dafür im Voraus von Haus zu Haus, um potenzielle Spender zu werben.
Nachdem ab 1969 die Paul-Gerhard-Schule zwei Jahre als Übergangslösung genutzt wurde, stellte die Stadt Werl 1971 eine Schulbaracke hinter dem Rathaus zur Verfügung. Dort begann man mit drei Blutspende-Terminen jährlich. Als es schließlich durch die steigende Bereitschaft der Werler auch dort zu eng wurde, fand im April 1989 die erste Aktion im damals neuen DRK-Haus am Kurfürstenring statt. Seitdem können zwei Entnahmeteams arbeiten, auch der Komfort ist gestiegen. „Viele Werler Bürger tragen mit berechtigtem Stolz die ihnen für viele Blutspenden verliehene Ehrennadel. Mögen sie Vorbild und Ansporn für weitere Mitbürger sein!“, heißt es in einer Festschrift aus vergangenen Tagen.
Wer Blut spendet, hilft Menschen in Not
Auch heute ist die Blutspende für viele Werler nach wie vor ein positiver Pflichttermin. Passend formulierte das Rote Kreuz vor einigen Jahren: „Ein bisschen ist es wie bei der Ankunft im Hotel. Kaum hat man den Windfang im DRK-Heim durchschritten und das Foyer betreten, trifft man auf vertraute Gesichter. Wie an der Rezeption wird erst einmal eingecheckt. Und für die nächste gute Stunde ist man zu Gast bei Freunden.“ Und: Blutspenden tut nicht weh. „Eine Spritzenphobie haben sich schon manch regelmäßige Spender abgewöhnt“, sei die angenehme Atmosphäre am Kurfürstenring wohl ein Grund dafür. „Wer Blut spendet, hilft Menschen in Not.“ Und das mit dem Bewusstsein, dass man selbst jederzeit auf Blutkonserven angewiesen sein kann. „Und mit der Gewissheit, beim DRK-Ortsverein Werl in guten Händen zu sein, sollte man den Aderlass nicht scheuen.“
Daten zum Blutspendedienst West: Rund 800.000 Blutspender begrüßt der DRK-Blutspendedienst jährlich bei über 11.000 Aktionen. Mehrere Millionen Menschen spenden heutzutage Blut beim Roten Kreuz, viele verdanken ihre Genesung einer Bluttransfusion. Doch so war das nicht immer: Begonnen hat man in Nordrhein-Westfalen mit 19 Mitarbeitern, die den Betrieb des ersten zentralen Blutspendedienstes in der damals noch jungen Bundesrepublik aufbauten. 1952, daswar das erste Blutspendejahr, gab es insgesamt 114 Termine mit 7.773 Spendern.
Die erste Aktion fand am 29. Februar 1952 in Gelsenkirchen statt. Viele der Blutspender waren Kumpel aus den umliegenden Zechen im Ruhrgebiet: Ein Pioniersakt. Aus dem mutigen Experiment wurde Routine
Nächste Termine
An folgenden Tagen und Orten kann in Werl wieder Blut gespendet werden:
■ DRK-Haus , Kurfürstenring:
Am 7. April (Donnerstag) von 16 bis 20 Uhr, am 8. April (Freitag) von 14.30 bis 19.30 Uhr und am darauffolgenden Montag (11. April) von 16 bis 20 Uhr.
■ Schützenhalle Holtum:
In der Zeit von 17 bis 20 Uhr am Freitag, den 22. April.
(Soester Anzeiger vom 19.03.2022 / Fabian Neuenzeit)